DIE ERSTE KOOPERATION MIT DER WIENER STAATSOPER
Am 15. Februar 1937 jährte sich zum 70. Mal die Uraufführung des Walzers „An der schönen blauen Donau“. Und wie feierte Wien diesen Tag? Auf Initiative der Johann Strauss-Gesellschaft Wien mit einer Festvorstellung der „Fledermaus“ in der Wiener Staatsoper, bei der, dem Anlass entsprechend, im 2. Akt der Donauwalzer als Ballett eingelegt wurde. Erst am Vorabend war die noch junge Gesellschaft mit einem großen Strauss-Konzert im Wiener Musikverein erstmals an die Öffentlichkeit getreten, tags darauf präsentierte sie sich erstmals als Initiatorin und künstlerische Mitgestalterin einer Strauss-Operettenaufführung. Es handelte sich dabei zwar um keine Neuproduktion der „Fledermaus“, dafür aber um die 216. Aufführung jener ersten Inszenierung dieses Werks an der Wiener Oper, die am 28. Oktober 1894, also noch zu Lebzeiten des Komponisten, Premiere gehabt hatte. Eine besondere Leistung unserer Gesellschaft ist dabei darin zu sehen, dass sie auch für ihr zweites öffentliches Auftreten Interesse an einer weltweiten Übertragung via Radio erwecken konnte (wieder waren rund 200 Rundfunkanstalten angeschlossen). Ihr künstlerischer Beitrag manifestierte sich in der musikalischen Leitung dieses Abends, denn am Dirigentenpult stand – wie am Abend zuvor im Musikverein – der Präsident unserer Gesellschaft, Felix Weingartner.
Die Besetzung entsprach den Erwartungen bei einer Festaufführung: Die Partie des Eisenstein hatte man mit Richard Schubert einem Heldentenor anvertraut, den man im Haus am Ring sonst als Siegfried, Tristan und Tannhäuser, aber auch als Manrico und Othello erleben konnte. Margit Bokor, der man vier Jahre zuvor bei der Uraufführung der Richard Strauss-Oper „Arabella“ in Dresden die Partie der Zdenka anvertraut hatte, sang die Rosalinde. Sich im zweiten Akt glaubhaft als Ungarin auszugeben, fiel der vor allem von Clemens Krauss hochgeschätzten Sängerin nicht schwer – sie stammte aus Ungarn. Adele Kern brachte in die Partie der Adele nicht nur die nötige stimmliche Bravour mit ein – das Blondchen in Mozarts „Entführung aus dem Serail“ gehörte wie auch die Zerbinetta in „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss zu ihren Glanzpartien – , sondern auch ihre darstellerischen Erfahrungen als Operettensängerin – so hatte sie z. B. jeweils die weibliche Hauptpartie bei der Uraufführung des „Veilchens vom Montmartre“ von Emmerich Kálmán und bei der Wiener Erstaufführung der Léhar-Operette „Schön ist die Welt“ – beides am Theater an der Wien – gesungen. Richard Sallaba, der auch beim allerersten Konzert der Johann Strauss-Gesellschaft am Vorabend im Musikverein mitgewirkt hatte, brachte ebenfalls sehr viel Operettenerfahrung für seine Rollengestaltung des Alfred mit, noch mehr allerdings Ernst Tautenhayn, der Jahre zuvor in den Uraufführungen vieler Léhar-, Kálmán- und Fall-Operetten als Buffo brilliert hatte und jetzt den Frosch gab. Mit Hermann Wiedemann hingegen stand als Falke ein Sänger auf der Bühne, den man vielmehr mit Wagnerrollen identifizierte; Beckmesser und Alberich waren die Paraderollen des seit Jahrzehnten fest im Ensemble der Wiener Oper verankerten Künstlers. Mit Alfred Jerger als Frank und Rosette Anday als Orlofsky standen schließlich zwei weitere hochkarätige Ensemblemitglieder der Wiener Oper und absolute Publikumslieblinge auf der Bühne.

Diese Aufführung der „Fledermaus“ stellte, wie bereits hingewiesen wurde, zwar keine Eigenproduktion der Johann Strauss-Gesellschaft Wien dar, setzte aber gerade deshalb in anderer Hinsicht maßgebliche Signale: Zum einen betonte die Gesellschaft mit der Tatsache, dass es ihr bereits mit ihrer zweiten Veranstaltung gelungen war, eine Kooperation mit einer international so renommierten Institution wie mit der Wiener Oper einzugehen, gleich von Anbeginn an ihren Stellenwert. Zum anderen war mit der Verwendung jener Inszenierung, die Johann Strauss höchst persönlich noch gesehen und deren Premiere er als die glänzendste aller „Fledermaus“-Aufführungen bezeichnet hatte, eine markante Verbindung zur Zeit des Walzerkönigs hergestellt worden, wodurch die Welteröffentlichkeit nun mit Nachdruck darauf aufmerksam gemacht werden konnte, dass die authentische Pflege des Schaffens des Walzerkönigs das vordringlichste Ziel der neuen Gesellschaft sein werde. Die Mitwirkung des Staatsopernorchesters unterstrich dieses Bestreben, da Johann Strauss ja über ein Vierteljahrhundert mit diesem bzw. mit den Wiener Philharmonikern als Dirigent zusammengearbeitet hatte.
Auch dieser zweite Abend brachte der Johann Strauss-Gesellschaft Wien großen Erfolg und internationale Anerkennung. Sie hatte somit gleich zu Beginn ihrer Existenz schlagend unter Beweis gestellt, was künstlerischer Idealismus selbst in politisch wie wirtschaftlich höchst prekären Zeiten zu bewirken vermag.