70 JAHRE ENDE DER NAZI-DIKTATUR UND DES HOLOCAUSTS: DIE STRAUSS-GESELLSCHAFT GEDACHTE EINES MEISTERS DER SPÄTEN SILBERNEN WIENER OPERETTENZEIT
Umjubelte Neubelebung der Operette „Polnische Hochzeit“ von Josef Beer
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 in Deutschland und die darauffolgende Ausbreitung ihrer Gewaltherrschaft über weite Teile Europas kostete durch Krieg und gezielte Vernichtung nicht nur Millionen von Menschen das Leben, sondern raubte auch Millionen aufgrund von Vertreibung bzw. Flucht jegliche Existenzgrundlage. Dabei ging überdies unserem Land nicht nur großes geistiges bzw. künstlerisches Potential verloren, sondern es wurde auch nachwachsendes im Keim erstickt. Letzteres trifft in besonderem Maße auf den altösterreichischen Komponisten Josef Beer (1908 – 1987) zu. Sein Kompositionslehrer an der Wiener Musikakademie, der bedeutende Spätromantiker Joseph Marx, attestierte ihm nach der erfolgreichen Uraufführung seiner ersten Operette mit dem Titel „Der Prinz von Shiraz“ (1933) ein Können, „das nur wenige sehr etablierte Operettenkomponisten ihr eigen nennen können“.
Der Sensationserfolg von Beers zweiter Operette, der „Polnischen Hochzeit“, die am 3. April 1937 an der Zürcher Oper ihre Uraufführung erlebte, bestätigte die Richtigkeit dieses Urteils. 1938 sollte dieses Werk dann im Theater an der Wien mit Richard Tauber in der männlichen Hauptrolle seine österreichische Erstaufführung erleben. Doch der Einmarsch der Hitlertruppen am 12. März verhinderte dies, da Beer jüdischer Abstammung war. Der Komponist vermochte zwar durch Flucht dem Holocaust zu entkommen, doch war er aufgrund der 1943 erfolgten Ermordung seiner Eltern und seiner Schwester im Vernichtungslager Auschwitz bis an ein sein Lebensende ein psychisch gebrochener Mann; so verwehrte er nach dem Ende der Schreckenszeit, also ab 1945, selbst die Aufführung seiner Werke.
Nach Beers Tod im Jahre 1987 begannen seine Witwe und seine beiden Töchter sich um die Entdeckung bzw. Neuentdeckung seines musikalischen Schaffens zu bemühen. Im Zuge dessen kam es dann 2012 endlich zur österreichischen Erstaufführung der „Polnischen Hochzeit“, und zwar in Wien. Als es 2015 des 70. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkriegs, der Nazi-Herrschaft und des Holocausts sowie der Wiedererstehung Österreichs durch Gründung der Zweiten Republik zu gedenken galt, nahm die Johann Strauss-Gesellschaft Wien dies zum Anlass, um an Josef Beer und seinen seinerzeitigen Operettenerfolg zu erinnern. So fand am 9. November 2015 in Wien die erfolgreiche Premiere ihrer Produktion von „Polnische Hochzeit“ mit dem Klassischen Operettenensemble Wien (siehe Titelfoto) statt. Nur wenige Tage später, am 20. November 2015, präsentierte die JSG-Wien das Werk im Rahmen eines Gastspiels am Stadttheater Wiener Neustadt:

Die Tochter des Komponisten, Suzanne Beer, war extra für diese Aufführung aus ihrer Heimat Frankreich nach Österreich gekommen. Mochte sie auch den Ruf besitzen, sehr zurückhaltend zu sein, nach der Vorstellung suchte sie Peter Widholz, der für die Gesamtproduktion verantwortlich zeichnete und die männliche Hauptrolle gesungen hatte, in seiner Garderobe auf und fiel ihm vor lauter Dankbarkeit und Begeisterung über die Qualität der Aufführung um den Hals.

Damit war es der Johann Strauss-Gesellschaft Wien einmal mehr gelungen, in ihrem Bemühen, qualitativ hochwertige, in der Nachfolge von Johann Strauss stehende Musik zu pflegen bzw. neu zu entdecken, einen großen Erfolg zu erzielen. Dieser war nicht zuletzt an dem nach Ende der Vorstellung nicht enden wollenden Jubel des Publikums erkennbar, durch den der Dirigent des Abends, Bernhard Heher, der auf die Bühne gekommen war, um gemeinsam mit dem Ensemble die Ovationen des Publikums entgegenzunehmen, schließlich zu einer Zugabe gezwungen wurde: Er gab dem Orchester von er Bühne aus ein Zeichen, und so erklang nochmals eine der Hauptnummern des Werks, der Biermarsch, bei dem Solisten und Chor spontan voll Freude miteinstimmten.
